Die finnische Premium-Saatkartoffelregion

Das Saatkartoffelzentrum Tyrnävä wurde 1976 gegründet,  um Qualitätsmängeln und Schädlingsverbreitung entgegenzuwirken und die Produktion gesunder Saatkartoffeln sicherzustellen. Das in Westfinnland nahe Oulu gelegene Gebiet um die Gemeinden Tyrnävä, Liminka und Temmes wurde zur Schutzzone deklariert. Auf dem begrenzten Gebiet ist es möglich, eine optimale Qualitätskontrolle sicherzustellen, das Eindringen von Schädlingen weitgehend zu vermeiden und sofern doch ein Schädlingsbefall auftritt, diesen gezielt und schonend zu vernichten. Die systematische Arbeit des Saatkartoffelzentrums wurde schon bald durch hochwertige Ergebnisse belohnt.

Nach Finnlands EU-Beitritt 1995 wurde die Schutzzone als sog. High-Grade-Produktionsgebiet für Saatkartoffeln klassifiziert. Dies bedeutet bestimmte Anforderungen bezüglich Anbau und Marketing. Der Beschluss der Kommission über die Genehmigung von über die in den Anlagen I und II der Richtlinie 2002/56/EG definierten Verfahren hinausgehenden Krankheitsbekämpfungsmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Saatkartoffelhandel in bestimmten Mitgliedstaaten oder Regionen (2004/3/EG) wurde kraft der Durchführungsrichtlinie 2014/105/EU der Kommission in Bezug auf die betroffenen Saatgutklassen geändert. Auf dieser Grundlage wurde in Finnland ein Gesetz über die Anbauregion hochwertiger Saatkartoffeln erlassen (744/2016)1. Auf diesem beruhen wiederum die Vorschriften des Land- und Forstwirtschaftsministeriums für den Saatkartoffelhandel und die Kartoffelproduktion innerhalb der Premium-Anbauregion (13/16).

Insgesamt wurde in ganz Europa nur vier Saatkartoffelanbauregionen der High-Grade-Status gewährt. Voraussetzung für diese Klassifizierung ist, dass die Region frei von gefährlichen Kartoffelschädlingen ist. Die vier Premium-Anbauregionen befinden sich in Finnland, Portugal, Irland und Deutschland.

Laut Gesetz dürfen diese Anbauregionen mit Saatkartoffeln der EU-Klassen S, SE, E und höher Handel treiben. Für die Saatkartoffelproduktion selbst dürfen in den Gebieten nur Exemplare der Klassen S und SE oder höher verwendet werden. Zur Sicherstellung der Pflanzengesundheit und der nachhaltigen Qualität künftiger Kartoffelgenerationen dürfen in der Produktionsregion auch zur Produktion von Speise- und Stärkekartoffeln nur Saatkartoffeln verwendet werden, die mindestens in die Klasse S, SE oder E eingestuft wurden.

Ziel der speziellen gesetzlichen Regelungen für High-Grade-Saatkartoffelanbaugebiete ist es, gleichbleibend gute Voraussetzungen für die Produktion zu schaffen und sicherzustellen, dass hochwertige Saatkartoffeln in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen, um den landesweiten Bedarf zu decken und den Kartoffelanbau zu fördern. Zu den wesentlichen praktischen Anforderungen zählen sorgfältige Anbau- und Produktionshygiene ebenso wie die Sauberkeit von Lagerstätten und Transportfahrzeugen sowie die sichere Entsorgung von Kartoffelabfällen.

Das High-Grade-Gebiet umfasst heute die Regionen Tyrnävä und Liminka. Es umfasst rund 1200 ha Anbaufläche: Saatkartoffeln werden von 28 Höfen auf insgesamt 700 ha Ackerfläche angebaut,  Speisekartoffeln von 21 Höfen auf 500 ha. Etwa 70-75 % der gesamten finnischen Kartoffelproduktion stammen aus dieser Region. Der jährliche Saatkartoffelertrag liegt bei 17 000 – 18 000 t, von denen 3000 – 4000 t in den Export gehen. Wichtigster Exportpartner in den letzten Jahren war Russland.

Das geschützte Anbaugebiet ist nach wie vor frei von gefährlichen Krankheiten wie Kartoffelkrebs und bakterieller Ringfäule  sowie von Schädlingen wie der Gelben bzw. Weißen Kartoffelnematode und dem Kartoffelkäfer. Auch im übrigen Finnland bereiten Kartoffelschädlinge nur wenige Probleme und beispielsweise die Schleimkrankheit wurde bei finnischen Kartoffeln noch nie festgestellt.

Der Vorteil der finnischen Premium-Saatkartoffelregion ist ihre isolierte Lage im hohen Norden und die kalten Winter. Die Nähe zum Meer verlängert die Wachstumsphase und verringert im Vergleich zum Binnenland die Nachtfrostgefahr im Herbst,  aber die winterliche Frostperiode ist lang genug, um Pflanzenschädlinge in Bann zu halten.

Die Saatkartoffelregion liegt weit entfernt von den südfinnischen Speise- und Stärkekartoffelanbaugebieten,  die geografisch bedingt anfälliger sind für Viren, Läuse und vom Wind über das Meer oder die Ostgrenze herangetragene Schädlinge  wie beispielsweise den Kartoffelkäfer. Auch in dieser Hinsicht ist die nordische Lage ein wichtiger Sicherheitsgarant für die Saatkartoffelproduktion. Dabei ist zu betonen, dass auch in Südfinnland das Risiko von Pflanzenkrankheiten geringer ist als in den übrigen europäischen Ländern.

Zur Krankheitsvermeidung trägt auch die in Finnland übliche Fruchtfolge bei: typischerweise werden Kartoffeln mit Korn, Ölsaat oder Gras abgewechselt. In Mitteleuropa werden im Wechsel mit Kartoffeln eher Wurzelgemüse, Blütenpflanzen oder Gemüse angebaut, die als Wirte für pathogene Kartoffelschädlinge fungieren können. Entlang der Flüsse Mitteleuropas können sich Pflanzenkrankheiten wie die Ringfäule auch auf dem Wasserweg ausbreiten, bedingt durch Bewässerung oder Überflutung. Die Übertragung von Krankheiten und Schädlingen über den Erdboden ist in Mitteleuropa ebenfalls ein größeres Problem, da die Ackerflächen dichter beieinander liegen und intensiver bewirtschaftet werden.

Die naturreinen Saatkartoffeln aus Finnlands Premium-Anbaugebiet werden daher nicht nur in ganz Finnland verwendet, sondern sind auch ein beliebtes Exportgut. Einige mitteleuropäische Firmen haben die Produktion ihrer höherklassigen Saatkartoffeln komplett nach Finnland ausgelagert. Die Kapazität der Region lässt künftige Produktionserhöhungen zu, und angesichts der europaweit außergewöhnlichen Pflanzengesundheitssituation ist mit einem weiteren Anstieg der Nachfrage zu rechnen.

Oberes Bild: Petla-Archive

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