Finnland verfügt über das weltweit größte als kontrolliert-biologisch zertifizierte Sammelgebiet für Naturprodukte: 11,6 Mio. ha. Das sind 30 % der weltweit (!) als biologisch deklarierten Wildsammelgebiete und 38 % der finnischen Landfläche. Den Schwerpunkt bilden die Regionen Lappland, Nord-Österbotten und Kainuu.
Nicht jede Beere, die im Wald wächst, darf als Bio-Beere bezeichnet werden. Voraussetzung für dieses Zertifikat ist vielmehr, dass im Sammelgebiet mindestens drei Jahre lang keine chemischen Dünge- oder Pflanzenschutzmittel angewendet wurden.
Die zehn größten Wildsammelgebiete der Welt nach Ländern, 2015
Quelle: Willer H & Lernoud J (2017) The world of organic agriculture statistics and emerging trends 2017, Research Institute of Organic Agriculture FiBL and IFOAM – Organics International, p. 87. Link zum Bericht
Als Bio-Lebensmittel darf nur Sammelgut aus regelmäßig auf die Einhaltung dieser Bedingungen kontrollierten Gebieten deklariert werden, und auch die Verkäufer dieser Produkte müssen sich entsprechenden Kontrollen unterziehen. Finnlands wichtigste ökologische Naturprodukte sind Waldbeeren, Birkensaft und Kräuter. Rentiere, Wild und Fisch fallen nicht unter die EU-Bestimmung über den kontrolliert biologischen Anbau und dürfen daher nicht mit dieser Bezeichnung vermarktet werden, auch wenn sie aus denselben Gebieten stammen.
Unternehmen, welche die oben genannten Naturprodukte kommerziell sammeln und vermarkten möchten, müssen dies bei der zuständigen Kontrollbehörde anmelden und einen detaillierten Plan über die lückenlose Einhaltung ökologischer Produktionsbedingungen vorlegen. Dieser soll sicherstellen, dass alle an den einzelnen Produktionsphasen – Sammeln, Abnahme, Transport, Reinigung, Verpackung sowie ggf. Einfrieren oder weitere Veredelung – beteiligten Parteien eine ununterbrochene und nachvollziehbare Kette bilden, entlang derer die Vorschriften der EU-Bioverordnung an jeder Station eingehalten werden. Alle diese Parteien werden mindestens einmal jährlich kontrolliert. Im Jahr 2016 handelte es sich um insgesamt 30 Unternehmen.
Derzeit stammen bereits rund 30 % der kommerziell gesammelten Wildbeeren Finnlands aus kontrolliert biologischen Wäldern. Bei den Blaubeeren belief sich der Bio-Anteil 2016 mit mehr als 3270 t sogar auf fast 60 % des Gesamtverkaufsvolumens. Von den in Lappland heimischen Moltebeeren stammten wie in den Vorjahren etwa 94 t (38 %) aus kontrollierten Regionen. Die Preiselbeerenernte 2016 war die beste seit mehr als zwei Jahrzehnten. Das galt auch für die Bio-Gebiete, auch wenn die Rekordmenge von fast 1470 t nur 13 % des Gesamtverkaufsvolumens ausmachte. Bei den Einkünften aus ökologischen Wildbeeren stand die Blaubeere 2016 mit fast 3,7 Mio. Euro an der Spitze. Der Ertrag aus Bio-Preiselbeeren belief sich auf 1,2 Mio. Euro und der aus Moltebeeren 675 000 Euro.
Das Bio-Zertifikat verleiht dem Produkt Mehrwert, auch wenn finnische Verbraucher und private Beerensammler keinen großen Unterschied zwischen Beeren aus zertifizierten und konventionellen Gebieten machen. Auch das Preisniveau ist ähnlich. Deutlicher ist der Unterschied dagegen auf dem Markt und insbesondere bei veredelten Produkten: Produkte wie Joghurt aus kontrolliert-biologischen Erzeugnissen werden vom Verbraucher eindeutig stärker als solche wahrgenommen. Auch in anderen Produktgruppen wie beispielsweise der Naturkosmetik spielen Rohstoffe aus ökologischem Anbau eine immer wichtigere Rolle, und ein Großteil der aus den finnischen Bio-Regionen stammenden Beeren (insbesondere Blau-, Preisel- und Moltebeere) gehen in den Export. Besonders stark ist die Nachfrage in Asien. Auf dem Binnenmarkt hatten Beeren aus ökologischer Wildsammlung 2016 einen Anteil von 28% am Gesamtverkauf.
Das zertifizierte Gebiet kann künftig noch mehr als verdoppelt werden, da mehr als 90 % der finnischen Wälder die Bedingungen für kontrolliert-biologische Erzeugung erfüllen. Auch das Sortiment der vermarkteten Produkte lässt sich vervielfachen, beispielsweise im Hinblick auf Pilze und Rohstoffe für Naturkosmetika. Eine gewisse Problematik, speziell in Südfinnland, liegt in der Abgrenzung nichtkonformer Gebiete wie beispielsweise Wälder, in denen innerhalb der letzten drei Jahre Harnstoff zur Bekämpfung des Wurzelschwamms oder chemische Düngemittel eingesetzt wurde.
Das weltweit größte Sammelgebiet für Bio-Produkte entstand aus natürlichen Bedingungen, der Waldeigentumsstruktur und dem tief in der finnischen Gesellschaft verwurzelten Jedermannsrecht. Hinzu kommen gut organisierte Zusammenarbeit zwischen privaten Waldbesitzern und anderen Interessengruppen sowie moderne Datentechnik und aktiver Wissensaustausch. Dieses Zusammenspiel lässt sich nicht als Ganzes kopieren, und es ist Finnlands Aufgabe, die darin liegenden Chancen optimal zu nutzen.
Datenbanktabelle
Die größten Wildsammelgebiete der Welt 2015
Fußnoten
[1] Helsinki University, Ruralia Institute – Organic wild collection in forests, Link zur Website des Projekts (auf Englisch)
Oberes Bild: Pixabay