Tiere sind fühlende Wesen, deren Wohlergehen der Mensch in allen Tätigkeiten Rechnung zu tragen hat – so sieht es bereits der EU-Vertrag von Lissabon vor. Der Mensch macht sich Tiere in vielfältiger Weise zu Nutze, wodurch die Verantwortung für ihr Wohl zur gemeinsamen Aufgabe für uns alle wird.
Wohlergehen bedeutet das eigene Empfinden des Tieres über seinen körperlichen und seelischen Zustand – vereinfacht ausgedrückt, ob es sich gut fühlt oder schlecht. Zu den universellen Faktoren des Wohlergehens zählen unter anderem physische und psychische Gesundheit sowie normales Wachstum; bei der Haltung durch den Menschen kommt gute Pflege hinzu.
Auch die Möglichkeiten des Tieres, sich an die Ereignisse und Umstände seiner Umgebung anzupassen, wirken sich auf sein Wohlbefinden aus. Falls diese Anpassung nicht möglich ist bzw. die Umgebung auf Dauer Stress, körperliche Belastung, Verhaltens- oder Gesundheitsstörungen verursacht, leidet das Tier. Der Mensch kann durch artgerechte Haltung, Pflege und Umgang zum Wohlbefinden der Tiere beitragen sowie durch Zuchtauswahl neben gewünschten Produktions- und optischen Eigenschaften auch ihre Anpassungsfähigkeit fördern. Überzüchtung kann sich jedoch auch negativ auf das Tierwohl auswirken und Probleme verursachen, deren Korrektur erneute züchterische Maßnahmen erfordert.
Für die Beurteilung des tierischen Wohlbefindens in praktischen Situationen wurden diverse Kriterien entwickelt. Diese reichen von der Unterbringung über den physischen Zustand des Tieres (z.B. Fell oder Bewegungsapparat) bis hin zu möglichen Verhaltensstörungen wie Aggression gegen Artgenossen, Angst vor Menschen usw. Im Rahmen des Forschungsprojekts Welfare Quality® wurde ein Bewertungssystem ausgearbeitet, welches das Wohlergehen der Tiere in vier Grundsatzkategorien analysiert: Haltung, Verhalten, Gesundheit und Futter.
Die vier Tierwohlgrundsätze und zwölf Kriterien von Welfare Quality®
Quelle: Eläinten hyvinvointikeskus (EHK, finnisches Zentrum für Tierwohl), Link
Für das Wohlergehen von Tieren gibt es keinen allumfassenden Maßstab. Ein zentrales Kriterium ist jedoch das Verhalten, denn hierüber versucht ein Tier typischerweise als erstes, sich seiner Umgebung anzupassen. In anderen Worten: wenn das Tier sich innerlich oder äußerlich unter Druck gesetzt fühlt, ändert es sein Verhalten. Daher ist dies oft ein zuverlässigeres und sensibleres Maß für das Wohlbefinden eines Tieres als beispielsweise dessen Gesundheit, Physiologie, Leistung oder Futteraufnahme. Gesundheit ist ein wichtiger Teilaspekt des Wohlergehens, aber nicht das einzige Kriterium. Auch die Produktionsleistung ist kein hinreichendes Indiz, denn entsprechend gezüchtete Tiere können auf Kosten ihres eigenen Wohlbefindens kurzfristige Höchstleistungen erbringen. Die Tierschutzvorschriften enthalten Mindestanforderungen für die Tierhaltung, doch deren Erfüllung alleine ist noch kein Garant für das Tierwohl.
Oberstes Gebot für das Wohlergehen ist die Möglichkeit des Tieres, seine artspezifischen Bedürfnisse auszuleben. Beispielsweise verkürzt sich die Ruhezeit von Milchkühen auf hartem Untergrund, was ein klares Indiz dafür liefert, wie wichtig eine weiche Einstreu für das Wohlergehen der Kühe ist. Ein anderes Merkmal für Beeinträchtigungen des Wohlbefindens sind Verhaltensstörungen wie beispielsweise das Schwanzbeißen von Schweinen. Hierbei beißen sich die gestressten Tiere sich gegenseitig und fügen einander schmerzhafte Wunden zu. In manchen Fällen zeigt bereits die Form der Verhaltensstörung, was dem Tier fehlt. Beispielsweise ist das gegenseitige Besaugen von Kälbern Symptom für die mangelnde Befriedigung des natürlichen Saugtriebs.
Weitere Informationen in englischer und finnischer Sprache finden Sie unter eläintieto.fi, Link